Hannah Pfalzgraf, du bist vor zwei Jahren bei den Kantonsratswahlen im Säuliamt mit 1818 Stimmen auf dem dritten Listenplatz der SP gelandet und hast wohl nicht damit gerechnet, tatsächlich Ratsmitglied zu werden?

Ja, ich war sehr überrascht, als ich hörte, dass die Zweitplatzierte aus beruflichen Gründen auf den Sitz verzichten will. Ich habe ja inzwischen mit dem Studium begonnen und musste mir gut überlegen, ob ich alles unter einen Hut bringen kann. Aber Fabian Molina, der lange Zeit mit mir in der JUSO war, ist auch im Kantonsrat. Und er hat versprochen, mich zu unterstützen. Das war mit ein Grund, dass ich ja gesagt habe.
Du bist noch sehr jung. Warum hast du dich für die Politik entschieden?
Bis zum Zeitpunkt, als die Masseneinwanderungsinitiative angenommen wurde, habe ich mich zwar über Abstimmungsresultate aufgeregt, sah aber nie einen Grund, etwas zu tun. Ich dachte mir immer, dass ich mich früh genug damit herumschlagen muss und es mich noch nicht betrifft. Bei der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative wurde mir erstmals so richtig bewusst, dass alle Entscheide auf meine Zukunft Einfluss nehmen können. Ein Studienjahr oder Studium im Ausland war mir jetzt auf einmal nicht mehr garantiert. Ich wollte nicht weiterhin so machtlos bleiben, wie ich es bei dieser Abstimmung war. Ich wollte Einfluss nehmen können, auch ohne wahlberechtigt zu sein. Es ist vielleicht nicht möglich, alle schlechten Entscheide zu verhindern, aber wenigstens kann ich so im Nachhinein sagen, dass ich alles versucht und nicht nur zugeschaut habe.
Was bewegt dich am meisten?
Ich finde es schlimm, dass wir es noch nicht geschafft haben, gleiche Rechte für alle zu garantieren. Wie kann es sein, dass Frauen im Berufsleben noch immer diskriminiert werden? Dass sie weniger verdienen für die gleiche Arbeit wie ein Mann. Wie kann es sein, dass sexistische Bemerkungen zum Alltag gehören, wenn doch alle sagen es herrsche Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern?
Genauso schlimm finde ich die fehlende Gleichberechtigung von Homosexuellen. Ich finde es unmöglich, wie sich gewisse Menschen quer stellen und nicht akzeptieren können, dass Liebe etwas vollkommen Natürliches und Unbeeinflussbares ist. Das sollte respektiert und keinesfalls in Frage gestellt werden. Wir sind alle Menschen und wir entscheiden nicht selbst, wie wir fühlen. Wir sind, wie wir sind.
Um welche Themen möchtest du dich im Kantonsrat vor allem kümmern?
Um Bildung, Gesundheit und Feminismus. Ich bin sicher gegen Abbaumassnahmen im Gesundheits- und im Bildungswesen. Ausserdem sind mir mehr Freiräume für junge Menschen ein grosse Anliegen – solche ohne Konsumzwang.
Was ist dein berufliches Ziel?
Ich kann mir aber gut vorstellen, in zehn Jahren im gestalterischen Bereich zu arbeiten. Zum Beispiel als Grafikerin, als Kunst-Lehrerin im Gymi oder in einem Theater als Bühnenbildnerin. Auf alle Fälle möchte ich eine Arbeit, bei der ich kreativ sein kann und die mir Freude bereitet.
Wie siehst du die Rolle der Schweiz im Europäischen Kontext?
Mir macht der wachsende Nationalismus in der Schweiz Angst. Die Schweiz ist ein Land mitten in Europa, ob wir wollen oder nicht, wir gehören dazu. Ich sehe also keinen Sinn hinter der systematischen Abschottung der Schweiz. Wir sind wirtschaftlich auf Europa angewiesen und wir sollten versuchen, diese Beziehungen nicht zu gefährden, indem wir nur die Vorteile nutzen, nicht aber die Verpflichtungen wahrnehmen, welche diese Beziehung bringt.
Du bist Vorstandsmitglied der JUSO im Kanton Zürich. Ist dir die SP zu konservativ?
Nicht zu konservativ. Ich würde sagen, dass die SP vorsichtiger ist, in vielerlei Hinsicht. Als Jungpartei sind wir wie jedes Kind. Wir wollen uns abheben, rebellieren, gehört und ernst genommen werden. Zwar teilen wir die Grundsätze der SP, doch wollen wir auch autonom sein, als etwas Eigenes wahrgenommen werden. Ja, manchmal ist uns die SP nicht frech und laut genug, doch genau darum gibt es die JUSO. Aber schlussendlich wollen wir alle das Gleiche. Und um das zu erreichen, da bin ich sicher, braucht es uns beide.
Wohnst du noch in Mettmenstetten?
Zeitweise. Ich studiere Kunstvermittlung in Basel und lebe die meiste Zeit dort. Ich bin jedoch mit dem Säuliamt immer noch eng verbunden – der Affoltemer Anzeiger gehört zu meiner Pflichtlektüre. Ich werde auch an den Vorstandssitzungen der SP Bezirk Affoltern teilnehmen. Und an Anlässen im Amt werde ich mich auch regelmässig zeigen und hören, was die Leute bewegt.